Gleich von der
ersten Minute an ist Maßarbeit und höchste Konzentration von den
Transportprofis der Spedition Reese gefordert. Teilweise mit roher
Gewalt, teilweise wie auf rohen Eiern bugsiert Fahrer Peter Fandrich
seine Ladung auf die Landstraße. Manch ein Autofahrer ist schon
überfordert,
wenn er mit
seinem Kleinwagen rückwärts ausparken muss, von Fandrich und seinen
Kolonnenhelfern hängt es jetzt ab, ob dieses Manöver mit einem
elfachsigem Auflieger samt vierachsiger Zugmaschine gelingt. Immer
wieder nimmt der 58-jährige Routinier mit 37 Jahren Berufserfahrung im
Schwerlasttransport zu seinen Helfern Funkkontakt auf und macht sich,
wenn es besonders eng wird, auch selbst ein Bild von der Lage. "Mir
gehören schon ein paar Achsen, ich bin trotzdem nur Fahrer", scherzt
Fandrich und gibt sich locker. Dennoch ist ihm die Anspannung
anzumerken.
Trotz aller
Erfahrung ist der Transport der KOLLER Rig 19 nämlich auch für die
Spedition Reese komplettes Neuland. Zwar hat das Team um den
verantwortlichen "Truck-Pusher" Lars Haak schon größere Anlagen
transportiert, eine aus der Baureihe des KOLLER Rig 19 war bisher jedoch
noch nicht dabei. "Wir müssen uns überraschen lassen. Es gibt auf der
Strecke gleich ein paar Nadelöhre, und das hier war erst das erste",
sagt Haak, als die gigantische Zugmaschine mit ihren 605 Pferdestärken
endlich die erste Prüfung des Abends gemeistert hat und vollständig auf
der Straße steht.
Dem "Truck-Pusher"
kommt die Aufgabe zu, den kompletten Transport zu koordinieren und schon
bevor der Zug eine kritische Stelle erreicht, diese ausreichend
abzusichern. Auf die Strecke hatte Haak keinen Einfluss. "Ich musste
vorher beim Fachbereich Sicherheit und Ordnung Abteilung Straßenverkehr
der Straßenverkehrsbehörde Celle Start und Ziel angeben. Die legen dann
die Strecke fest", erklärt Haak. "Wir haben es nicht gerade leicht,
heute hier weg zu kommen".
Was dies
bedeutet, wird deutlich, als der Transport in Nienhagen nicht den
direkten Weg zur B3 einschlägt, sondern an der Kreuzung Links in
Richtung Ehlershausen abbiegen muss. Die Auebrücke wäre der Belastung
durch LKW, Tiefbett-Auflieger und Bohranlage nicht gewachsen. Rund 160
Tonnen bringt das Gespann auf die Waage. So muss Fahrer Peter Fandrich
wiederum unter den Blicken vieler Schaulustiger in wahrer
Millimeterarbeit Verkehrsschilder, Ampelanlagen und Findlinge auf dem
Fußweg umrunden, bevor der Zug um 22.30 Uhr Nienhagen auf der
Langerbeinstraße verlassen kann.
Der Transport
kommt gut voran. Vor dem 4,37 Meter hohen und 3,70 Meter breiten Gespann
fahren die Polizeikommissare Franz von Harling und Holger Stolzmann und
warnen den entgegenkommenden Verkehr mit Blaulicht und beleuchteten
Warnschildern. "Wir haben hier heute eigentlich den einfachsten Job",
sagt von Harling. Die Kommissare haben schon öfter Schwertransporte von
Celle aus begleitet und nehmen daher die Verzögerungen gelassen hin.
Ihre Arbeit wird erst zu beendet sein, wenn die KOLLER Rig 19 an der
Anschlussstelle Mellendorf auf der Autobahn ihre Reise fortsetzt.
Trotz aller
Gelassenheit wird nicht nur die Geduld der Polizisten bei der nächsten
Verzögerung auf eine harte Probe gestellt. Beim Versuch die Bahntrasse
auf der Elverathstraße in einer scharfen Linkskurve zu überqueren, fährt
sich Peter Fandrich fest. Die Hinterachsen der Zugmaschinen bleiben in
den Gleisen stecken, die letzte Achse des Aufliegers steck im Morast
fest. Nichts geht mehr. "Ja, das sind die interessanten Dinge im
Speditionsgeschäft", kommentiert "Truck-Pusher" Lars Haak die Lage.
Seine Nerven liegen blank. Zwar hatte er vor dem Transport neben der
Straße so genannte Baggerplatten mit seinem Team verlegt und so die
Straße künstlich verbreitert, dass es so eng werden würde hatte keiner
vermutet.
Ein weiterer,
per Funk angeforderter LKW umfährt den Transport und soll die Maschine
von Peter Fandrich per Abschleppkette aus dem Morast und den
Eisenbahnschiene ziehen. Gegen 23.15 Uhr wird der Versuch gestartet und
scheitert jäh. Das enorme Gewicht der Ladung arbeitet gegen die
Bemühungen des Speditionsteams und drückt den Zug gefährlich nah an die
Andreaskreuze des Bahnübergangs. Nach kurzer Planung steht fest, die
müssen raus. Der zweite LKW zieht mittels Kran die Kreuze kurzerhand mit
samt Fundament aus dem Boden. Während sich die übrig gebliebenen
Schaulustigen die Zeit mit Gesprächen und Fachsimpeleinen vertreiben ist
Peter Gosslar, Geschäftsführer der KOLLER Workover & Drilling GmbH nicht
zum Lachen zu mute. Er hat den Transport bis zum Bahnübergang begleitet,
sieht jetzt aber den weiteren Ablauf des Transports in Gefahr. "Diese
Verzögerung war so nicht eingeplant, eigentlich sollte der Transport die
250 Kilometer nach Wilhelmshaven in sechs Stunden schaffen und jetzt
hängen wir hier schon zwei stunden fest", ärgert er sich. "Nachher kommt
das Montageteam noch vor der Anlage an, welches sehr ärgerlich wäre."
Peter Gosslars
Nerven werden noch eine ganze weile beansprucht. Erst nachdem auch noch
das zweite Andreaskreuz aus dem Boden gerissen wurde schaffen es die
LKW-Fahrer die KOLLER Rig 19 um 0.30 Uhr über den Bahndamm zu ziehen.
Die Erleichterung bei allen Beteiligten ist groß. Als Opfer der
Kurvenfahrt bleiben zwei "entwurzelte" Andreaskreuze, eine platt
gefahrene Leitplanke und zerfurchte Erde in der Nacht zurück. Endlich
geht die Fahrt des Schwerlasttransports in Richtung B3 weiter.
Der Schwenk auf
die Bundesstraße ist ebenfalls zeitaufwendig, im Vergleich mit den
Problemen am Bahnübergang ist diese Richtungsänderung aber reine
Routine. Bereits um 1.10 Uhr setzt die Kolonne aus Polizei,
Schwerlasttransport und Begleitfahrzeug ihre Reise nach Celle fort. Auch
Peter Gosslar ist wieder beruhigt. "Ich fahre jetzt nach Hause. ich bin
komplett durchgefrohren. Jetzt sollte eigentlich nichts mehr schief
gehen".
Er sollte Recht
behalten. Auf dem Weg durch Cellewartet keine Überraschung mehr. mit
rund 60 Kilometern pro Stunde rauschen die 160 Tonnen Gewicht durch die
Stadt über den Wilhelm-Heinrich-Ring und verlassen 1.45 Uhr auf der
Fuhrberger Straße Celle in Richtung Wilhelmshaven.
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